(Übersetzt von Susanne Shigihara) Die tschadische Rebellion hat ein weiteres Mal ihre Offensive gegen das tschadische Regime begonnen. Dieser Zyklus der Gewalt hat 2005 begonnen, nachdem die Verfassung dergestalt modifiziert worden war, dass der Präsident Idriss Deby Itno sich unbegrenzt weiter zur Wahl stellen kann. Dies zeigt klar die Unfähigkeit der tschadischen Regierung, einen Ausweg aus der globalen Krise zu finden, die es dem Tschad erlauben würde, seinen alten Dämonen den Garaus zu machen.
Ein weiteres Mal verbohrt sich das Regime in eine Kriegslogik, die den größten Teil der Staatseinnahmen verschlingt, die Korruption verstärkt und dem Rechtsstaat und den Menschenrechten aufs Äußerste schadet. Die Rebellen, denen ein offener politischer Verhandlungsraum verwehrt ist, verharren in ihrer Konfrontationslogik und genießen die Unterstützung des Sudan, wodurch es zu einem Stellvertreterkrieg per zwischengeschalteter Rebellionen kommt.
Trotz des intensiven Aufwands an Regierungspropaganda, die einen entscheidenden Sieg der Nationalarmee verkündet, sind nach wie vor Tausende von gut bewaffneten Rebellen im Osten des Tschad und in Darfur präsent. Diese Situation stellt für den Tschad und die gesamte Region nach wie vor ein großes Risiko dar.
Die politische Situation im Tschad ist blockiert. Die Regierung tut alles, um die politischen Abkommen von August 2007 über die Organisation von Wahlen entgegen aller Anstrengungen der demokratischen Opposition wirkungslos zu machen. Das von den höchsten Regierungskreisen angezettelte Verschwindenlassen ihres Hauptsprechers Ibni Oumar Mahamat Saleh im Jahr 2008 wurde niemals aufgeklärt. Die in Syrte (Libyen) im Februar 2007 zwischen Regierung und Rebellen unterzeichneten Abkommen haben keinerlei politische Folgen gezeitigt.
Alle Beobachter der politischen Szene im Tschad wissen, dass das Regime jede echte demokratische Öffnung verweigert.
Die französischen Nichtregierungsorganisationen weisen die Regierung Frankreichs seit Jahren auf die Verantwortung des tschadischen Regimes in der ständigen Verschlechterung der politischen Situation hin. Im letzten Jahr konnten sie nach den Ereignissen von Februar an höchster Stelle die für eine Rückkehr zu dauerhaftem Frieden unabdingbaren politischen Konditionen vorstellen.
Trotz alledem geht auch heute wieder die Handlungsweise Frankreichs nicht in Richtung Demokratie und Frieden: keinerlei Reaktion auf die Anschuldigungen gegen das Regime hinsichtlich des Todes der wichtigsten Führungsfigur der Opposition, Blockage der politischen Abkommen, intensive, jedoch ergebnislose diplomatische Aktivität in Bezug auf Sudan… ohne reelle politische Gegenleistung macht der diplomatische und militärische französische Apparat mit der Unterstützung des Regimes von Idriss Deby Itno weiter.
Die französischen und tschadischen NRO verlangen von der französischen Regierung, im Tschad verantwortlich zu handeln, eine Feuerpause durchzusetzen und ein auf einem inklusiven Dialog beruhendes, echtes Krisenbewältigungsverfahren zu garantieren, das die im politischen Prozess des 13. August 2007 realisierten Ergebnisse verstärken würde.[1]
Die genannten Organisationen verlangen, dass Frankreich Druck auf Präsident Deby ausübt, damit dieser ein transparentes Verhandlungsverfahren akzeptiert.
Was den Tod von Ibni Oumar Mahamat Saleh angeht, hat Frankreich trotz wiederholter Versprechen, alles zu tun, um der Wahrheit ans Licht zu verhelfen, von der tschadischen Regierung keinerlei Ergebnisse erhalten. Die französischen und tschadischen Organisationen verlangen von der französischen Regierung Auskunft darüber, was sie konkret zu tun gedenkt, um die Urheber von Ibni Oumar Mahamat Salehs Verschwinden zu identifizieren, zu verfolgen, festzunehmen und zu verurteilen.
Unterzeichnende Organisationen:
• Christliche Aktion für die Abschaffung der Folter (Action des Chrétiens pour l’abolition de la torture, ACAT-France)
• Katholisches Komitee gegen Hunger und für Entwicklung (Comité catholique contre la faim et pour le développement, CCFD-Terre solidaire)
• Nachfolgekomitee für den Aufruf zum Frieden und die nationale Versöhnung im Tschad (Comité de suivi de l’appel à la paix et à la réconciliation nationale du Tchad, CSAPR)
• Survie
[1] An diesem Tag fand die Unterzeichung des «Politischen Abkommens im Hinblick auf eine Verstärkung des demokratischen Prozesses im Tschad» statt. Es war nach vier Monaten intensiver und zäher Verhandlungen zwischen den die Regierung stellenden Parteien und der demokratischen Opposition, insbesondere der CPDC (Coordination des partis politiques pour la défense de la Constitution – Koordination der politischen Parteien zur Verteidigung der Konstitution), zustande gekommen.
Quelle: Survie - Lettre publique aux autorités françaises sur la situation au Tchad
Originalartikel veröffentlicht am 20.5.2009